Vorweg: Ich bin ein glühender Befürworter des europäischen Gedankens. Als Friedensprojekt ist mir die Europäische Union mehr als willkommen. Freien Güter- und Personenverkehr halte ich prinzipiell auch für eine gute Sache. Die Türkei ist mir als Mitglied des Staatenbundes (Erledigung der menschenrechtlichen Hausaufgaben vorausgesetzt) auch herzlich willkommen. Eine europäische Staatsbürgerschaft, wie Erhard Busek sie diese Woche zur Diskussion gestellt hat, halte ich für einen mehr als interessanten Ansatz. Eine tiefere politische Integration innerhalb der EU muss sich aber immer auch an ihrer Einstellung und ihren Aktionen in Punkto Außenbeziehung messen lassen. Die „Mir san mir“ Mentalität auf nationaler Ebene ist ungustiös genug, als institutionalisierte Politik einer Staatengemeinschaft ist sie umso gefährlicher.
Wie solche Mechanismen funktionieren ist mir heute beim Öffnen der Verpackung meiner neuen Butterdose bewusst geworden.
Als Konsument beruhigt es mich natürlich sehr, dass das Behältnis für meine Butter den „erforderlichen EG Richtlinien“ entspricht und bei deren Herstellung insbesondere die „Verordnung über Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“ sowie die „Richtlinie zur Erklärung über die Einhaltung der Vorschriften von Keramikgegenständen“ eingehalten wurden. Das Butterdoserl birgt also sicher kein Gesundheitsrisiko in sich. Ich habe mir die beiden Richtlinien zu Gemüte geführt. Auf 14 bzw. 4 Seiten werden nebst dem üblichen juristischen Kauderwelsch auch Grundlagen der Materialkunde ausgebreitet und ich weiß jetzt, dass ich mich darauf verlassen kann, dass sämtliche Grenzwerte bei Blei und Kadmium eingehalten wurden. – Und wenn nicht, kann ich mich als Konsument ja beschweren. Würde ich das tun, so hilft sicher folgende Bestimmung bei der Bearbeitung meines Falles:
„Die Rückverfolgbarkeit von Materialien und Gegenständen, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, sollte auf allen Stufen gewährleistet sein, um Kontrollen, den Rückruf fehlerhafter Produkte, die Unterrichtung der Verbraucher und die Feststellung der Haftung zu erleichtern.“ (Ziffer 18 von 1935/2004/EC).
Ich bin beruhigt und lass jetzt auch meine Kinder die Butter aus diesem schmucken Teil kratzen.
Ein bisschen viel Bürokratie für ein wenig Keramik? Mag sein. Trotzdem stelle ich das oben Gesagte keine Sekunde in Frage. Der politische Gedanke eines geeinten Europas ist mir zu wertvoll, um ihn wegen ein paar bizarr-verirrter Auswüchse einiger Bürokraten fallen zu lassen. Sie meinen es ja gut mit mir als Konsumenten und meine Kinder bekommen bestimmt keine Allergien und keinen Krebs von unserer neuen Butterdose.
Und trotzdem ist an dieser Stelle auch etwas grundsätzliche Kritik angebracht. Die Kennzeichnung meines neuen Schmuckstücks entspricht – so nehme ich jetzt mal an – allen Richtlinien der EU. Was mich natürlich auch interessiert hätte:
- Wo ist denn das Ding hergestellt worden?
- Werden die Menschen, die es so wunderhübsch geformt und glasiert haben auch anständig entlohnt und sind sie überhaupt schon in einem Alter, in dem sie einer Arbeit nachgehen sollten?
Da findet sich kein Hinweis auf der Verpackung und auch nicht am Beipackzettel. Ich möchte dem Handelsunternehmen, das mein Butterdoserl vertreibt, nichts unterstellen. Ich habe keine Ahnung, wo und unter welchen Bedingungen Butterdosen gefertigt werden. Die besagte Richtlinie meint dazu nur: „Diese Erklärung ist vom Hersteller oder von einem in der Gemeinschaft niedergelassenen Verkäufer auszustellen“. Und worum es in der Erklärung geht, habe ich oben schon beschrieben.
Nochmals: Eine Staatengemeinschaft muss sich auch daran messen lassen wie sie ihre Außenbeziehungen gestaltet. Mir hat sie heute wieder einmal den Eindruck vermittelt, dass ich ihr als Konsument bedeutend wichtiger bin als die Menschen, die außerhalb der EU Konsumprodukte – möglicherweise – unter unmenschlichen Bedingungen produzieren. Die Bürokraten hätten da ein durchaus sinnvolles Betätigungsfeld.