Jetzt habe ich’s doch getan: Ich habe zu HTML gebracht, was ich über die Debatte rund um die Hinichen denke. Vorab sei gesagt, dass ich Sexismus genauso widerlich finde wie Rassismus. Doch in der allzu aufgeregten Diskussion geht es ja gar nicht um Sexismus, Gewalt oder Rassismus, sondern um Freiheit. Um die Freiheit der Kunst. Und die wird jetzt anhand einer Band diskutiert, die bislang nicht besonders durch künstlerische Qualität aufgefallen ist. Muss sie auch nicht. Sie tritt ja mit dem Anspruch an, die „Ordinärste Band von Österreich“ zu sein. Und da wir hierzulande eine lange Tradition des Ordinären in Kunst und Populärkultur haben, müssen sich die Hinichen ganz schön anstrengen. Anscheinend finden sie damit ein Publikum. Mich haben sie bis jetzt nicht erreicht. Jetzt sind die Hinichen da, haben nicht nur einen Platz in meiner Wahrnehmung, sondern auch in der vieler anderer, die sonst niemals auf sie aufmerksam geworden wären. Und nicht wenige davon ventilieren ihre Vorstellungen von der Freiheit der Kunst nun auf der Folie der Hinichen. Kunst! Freiheit!
Was ist geschehen?
Soweit ich mich jetzt bei Robert Misik, Corinna Milborn, Elfriede Hammerl und bei Klaus-Werner Lobo schlau gemacht habe, ist folgendes passiert: Klaus-Werner Lobo findet – und das ist sein gutes Recht – die Texte der Hinichen nicht lustig. Er findet auch, dass diese Art Kunst gegen die Förderrichtlinien der Stadt Wien verstößt. Auch das ist sein gutes Recht. Immerhin hat er als Kultursprecher der Grünen in Wien mit dem Veranstalter Muff Sopper vom Planet Music folgende Vereinbarung getroffen:
„Szene Wien und Gasometer würden sich gegenüber anderen – vor allem weniger kommerziellen – Musikstilen und Milieus öffnen, Sexismus, Homophopie (sic!), Rassismus und andere Formen der Diskriminierung und Menschenverachtung wären eindeutiges No-Go.“
Wie immer das (vertraglich) festgehalten wurde, ich interpretiere das mal als verbindliche Vereinbarung. Die Stadt gibt Geld und der Veranstalter erfüllt damit einen (Kultur-)Auftrag. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wenn die Staatsoper Förderungen erhält, dann erhält sie die eben auch unter der Bedingung, Oper zu machen und keine Raves. So far, so good. Es geht aber weiter. Lobo in seinen eigenen Worten:
„Deshalb habe ich am Mittwoch nach einvernehmlicher Absprache mit dem Büro des Kulturstadtrates bei Muff Sopper angerufen und ihm gesagt dass das programmierte Konzert den gemeinsam getroffenen Vereinbarungen widerspreche, die ja die Voraussetzung für die Grüne Zustimmung zur Subvention waren.“
Ab hier wird’s problematisch
Ein Politiker in verantwortlicher Position greift zum Telefon und bringt zum Ausdruck, dass das mit den Fördergeldern und solchen Acts… Na, Sie wissen schon. Als jemand, der vor vielen Jahren mal in der Szene Wien gearbeitet hat, tue ich mir schwer, Muff Sopper zu verteidigen. Als jemand, der sich mit Tabubrechern wie den Wiener Aktionisten, Helmut Qualtinger, Thomas Bernhard oder (andere Baustelle) Laibach auseinandergesetzt hat, tue ich mir auch schwer, die Hinichen zu verteidigen. Der extremst ordinären Sprache, dem üblen Sexismus und der Gewaltverherrlichung fehlt der doppelte Boden, anhand dessen ich das als reflektierte Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen identifizieren könnte. Als Kritik, die die oben Genannten perfekt verstanden haben. Die Hinichen überschreiten Grenzen wie das auch Künstler tun. Ob sie Künstler sind oder nicht, ob Kunst ist, was sie machen, will ich nicht beurteilen. Jedenfalls nutzen sie die Mittel der Kunst: einerseits die Musik und andererseits das Mittel der Überzeichnung. Was sie damit sagen wollen, erschließt sich mir nicht.
Faktum ist: Die Hinichen haben ein Publikum (siehe hier). Das finden sie auch außerhalb des Planet Music. Faktum ist auch, dass Klaus-Werner Lobo den Hinichen zu einer Popularität außerhalb ihrer eigentlichen Klientel verholfen und sie zu Märtyrern für die Freiheit der Kunst gemacht hat.
Und was ist jetzt die Moral von der Geschichte?
Wir setzen uns nicht mit Sexismus und Gewalt auseinander, wir fragen uns nicht, warum es Leute gibt, die die Hinichen lustig finden und die das auch ohne doppelten Boden nehmen. Das ist leider so. Das wird sich nicht ändern, wenn ein Politiker seine Grenzen überschreitet. Und das hat er mit seinem Anruf getan. Mit dem hat er nämlich nicht auf der politischen Ebene argumentiert, sondern aus der Position des Mächtigen, der Gelder verteilt und sie auch wegnehmen kann.
P.S. Ich werde hier nicht zur weiteren Verbreitung der hinichen Texte beitragen.