„Ihr müsst Gas geben! Unser Clubobmann muss Angst vor euch haben.“ Das hat eine parlamentarische Mitarbeiterin einer Regierungspartei zu einer Zeit zu mir gesagt als ich noch in der Piratenpartei aktiv war. Diese Frau hat viel Herz und Verständnis für Netzpolitik. Sie will, dass sich in dem Bereich etwas tut. Es gibt solche Menschen in einigen der großen Parteien. Zu wenige. Sie werden in ihren Organisationen kaum gehört. Sie hoffen auf Druck von außen.
Diese Worte klingen heute noch nach.
Der Wahlkampf ist nun fast vorbei. Angst vor den Piraten hat ganz bestimmt niemand gekriegt.
Die veröffentlichte und öffentliche Meinung über Piratenpartei hat sich zu einem simplen Narrativ verdichtet: Die Piraten haben es nicht einmal verstanden, aus PRISM/Tempora/Weißdergeierwasdanochallespublikwird Kapital zu schlagen. Das haben sie nicht. Nicht im Geringsten. Sie warnen schon zu lange vor dem, was da jetzt bestätigt wurde. Irgendwie juckt das nicht wirklich jemanden. Die Enthüllungen von Edward Snowden werden als Spionagethriller wahrgenommen und das war’s dann auch schon.
So bleibt als einzige Leistung der Piraten in diesem Wahlkampf, dass sie es geschafft haben, ohne Geld und mit viel Idealismus 2.600 Stimmen zu sammeln und bundesweit bei den Nationalratswahlen antreten zu können. Ehrlich, ich hätte ihnen nicht einmal das zugetraut. Sie haben’s geschafft. Hut ab!
Der Rest des piratischen Wahlkampfs war kümmerlich. Sie haben es tatsächlich nicht verstanden, Themen zu setzen. Es ist ihnen in keinster Weise gelungen, irgendeinem Clubobmann Angst zu machen. Nichts davon. Rein gar nichts. Sie haben zwar alle Fragen beantwortet, die an sie gerichtet wurden und das gar nicht mal so ungeschickt, aber sie waren weder angriffig noch sonderlich kreativ. Sie haben einen Defensivwahlkampf geführt, obwohl sie eigentlich nichts haben, was sie verteidigen könnten.
Und jetzt kommt mein großes Aber: Ich habe im Laufe dieses Wahlkampfs ziemliche viele TV-Diskussionen gesehen, Radiobeiträge gehört und Analysen gelesen. Mir wäre keine einzige Sendung, kein einziger Beitrag aufgefallen, wo Netzpolitik es geschafft hat, zum Wahlkampfthema zu werden. Mit Ausnahme der Texte, Reportagen, Beiträge, in denen die Piraten vorkamen. Das ist nicht nichts.
Die netzpolitisch Interessierten und Engagierten anderer Parteien haben sich mit ihren Anliegen nicht soweit durchsetzen können, dass ihre Spitzenkandidaten sie auch nur einmal in irgendeiner breiter wahrgenommenen Diskussion angesprochen hätten. Die Piraten haben Netzpolitik in den Wahlkampf gebracht. Zumindest ein bisschen.
Ich könnte jetzt lange darüber schwadronieren, dass wir allgemein anerkannte Grundrechte endlich auch in der digitalen Sphäre anwenden müssen. Ich könnte argumentieren, dass Staaten, die ihre Bürgerinnen und Bürger flächendeckend überwachen, nicht recht viel anders sind als die totalitären Regime, die wir verurteilen. Doch das ist jetzt und hier nicht der Punkt. Ihr wenigen, die diesen Blogpost lest, wisst das wahrscheinlich eh. Der Punkt ist, dass Netzpolitik gar kein Thema im Wahlkampf gewesen wäre, hätten die Piraten nicht 2.600 Unterstützungserklärungen gesammelt. Der Punkt ist, dass so zumindest Sätze wie „Die Piraten treten ein für Datenschutz und Netzfreiheit“ eine breite Öffentlichkeit erreicht haben. Das ist nicht nichts. Wer will, dass das mehr wird, kann/sollte/muss den Piraten am Sonntag eine Stimme geben. Trotz allem. Vielleicht bekommt dann doch noch jemand Angst.