Matthias Hartmann hat sich für die aktuelle Burgtheatersaison einiges vorgenommen: gleich beide Teile von Goethes Klassiker. Ein Monsterprojekt also. Ich hatte vorigen Samstag die Gelegenheit, Faust I zu sehen. Dankenswerterweise hat mir Christian Köllerer seinen Aboplatz im Parkett überlassen. Ich bin ja grundsätzlich skeptisch, wenn Klassiker neu aufgeputzt werden. Allzu oft geschieht das mit linkischen Querverweisen auf die gegenwärtigen Weltläufte – sei es mit bemüht-beherzt eingestreuten Hinweisen im Text oder mit zeitgemäßem Aufputz im Bühnenbild oder bei den Requisiten. Hartmann hat sich hier zurück gehalten. (Mal abgesehen vom Apple Notebook, dass Faust zu Ende des Anfangsmonologs zertrümmert.) Das Bühnenbild ist spartanisch aber wirkungsvoll und nutzt die gesamte Bandbreite der Technik und zwar mechanisch wie multimedial; eine herrlich surreale Umgebung für ein intensives Schauspiel, bei dem sehr genau auf den Rhythmus des Textes geachtet wurde.
Rhythmus und Bewegung sind überhaupt wesentliche Komponenten der Inszenierung. Besonders sticht da Joachim Meyerhoff hervor. Der hat sich innerhalb kürzester Zeit in die Mephisto-Rolle des verletzten Gert Voss eingearbeitet. Er wirkt dabei aber als hätte er nur drauf gewartet, dem Stück seinen Stempel aufzudrücken. Den Stempel eines unglaublich präsenten jungen Mephisto, der tänzelt, springt, kalauert, spuckt, geifert, zischt und sich keine Pause, kein Verschnaufen gönnt. Souverän spielt er Tobias Moretti an die Wand, der dem Faust kaum Profil verleihen kann, höchstens in den Momenten in denen er klamaukhaft den getriebenen Tölpel gibt. Katharina Lorenz als Gretchen ist die zweite Überraschung des Abends. Die Rolle der naiven Unschuld gibt an sich ja nicht viel her. Lorenz gelingt es dennoch, dem Gretchen ein facettenreiches Gesicht zu geben und laszive Erotik genauso einzubauen wie gerechte Wut.
Insgesamt ist Faust I im Burgtheater ein mehr als unterhaltsamer und vor allem gelungener Theaterabend. Hartmann ist dem Text lustvoll mit viel Humor zu Leibe gerückt, hat ihn dort lassen wo die Mehrheit glaubt, dass er hingehört und hat ihm dort doch ein neues Antlitz verliehen.