This one goes out to all the Internetversteher:
Nichts liegt mir ferner als die Politik der deutschen Bundeskanzlerin zu verteidigen. Wenn Angelika Merkel aber sagt, dass das Internet für uns alle „Neuland“ ist, dann muss ich ihr Recht geben. Den Spott, der da über sie hereinbricht, verdient sie nicht.
In der Geographie bedeutet Neuland
„Ackerland, welches aus Wald, Heide oder Weide (oft durch Brandrodung) gewonnen wurde, in den ersten Jahren seiner landwirtschaftlichen Nutzung“ (siehe Wikipedia).
Nur weil wir schon ein paar Jahre auf Twitter sind und deshalb Hashtags auf Facebook schon wieder fad finden, glauben wir, dass wir schon verstanden haben, was auf dem fruchtbaren Boden der vernetzten Rechner alles wachsen kann? Nur weil wir Monat für Monat zig Gigabyte vor den wachsamen Augen der NSA hin und herschieben, glauben wir, dass das gerade gewonnene Land schon in einer Weise „landwirtschaftlich“ genutzt wird, die tatsächlich Früchte für die Gesellschaft trägt? Was verleitet uns zu der arroganten Aussage, dass das Internet für uns, die wir die wichtigsten Mainstream-Tools nutzen, kein Neuland mehr ist, sondern vertrauter Boden, den wir langfristig bewirtschaften können? Wenn uns das Land tatsächlich so vertraut ist, warum können wir es dann nicht besser vor Angriffen schützen? Warum schaffen wir es dann nicht, uns dagegen zu wehren, dass uns der Boden, auf dem wir unsere Ideen, Kampagnen und Startups pflanzen, unter den Füßen weggezogen wird? Warum erreichen die Ideen und Kampagnen der Internetversteher die Menschen schlechter als Services, für deren Nutzung wir mit unserer Privatsphäre bezahlen?
Denkt eure Kritik an Merkels Aussage mal zu Ende! Ihr behauptet, dass das Internet (zumindest für euch) kein Neuland mehr sei, dass wir uns nicht mehr in den ersten Jahren seiner landwirtschaftlichen Nutzung befinden, sondern schon in der Phase seiner dauerhaften Bewirtschaftung. Wisst ihr, was das bedeutet? Richtig! Die Monokulturen, die heute so fade vor sich hinblühen, sind Höhepunkt und gleichzeitig Ende der Entwicklung.
Ich wünsche mir, dass die aktuellen Fehlentwicklungen bei der landwirtschaftlichen Nutzung des Internets, noch reversibel sind; dass der Boden noch nicht komplett ausgelaugt und noch nicht alle Flüsse begradigt sind. Ich möchte darauf vertrauen können, dass die Neuankömmlinge in diesem Land noch einen Platz abseits der Vergnügungsparks von Google, Facebook, Apple et al. finden.
Das Internet soll Neuland bleiben und Angela Merkel soll ausnahmsweise mal Recht haben.