Als die Massen Uschi Stenzel und mir zujubelten

Lange ist es her, aber ich erinnere mich immer noch lebhaft an den Tag, an dem ich Uschi Stenzel am Dach des Burgtheaters im Arm hielt und uns Tausende Menschen zujubelten. Das klingt surreal, ist aber so geschehen. Jedes Wort dieser Geschichte ist wahr. Ich habe nichts hinzugefügt, aber einiges weggelassen.

Wir schreiben das Jahr 2008. Ganz Österreich ist in Feierlaune. Immerhin richten wir die Fußballeuropameisterschaft aus. Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet. Die Schweiz richtet zwar auch aus, doch die Schweizerinnen und -er können nicht annähernd so schön feiern wie wir. Es ist fast wie damals beim Wiener Kongress. Niemand hat von uns erwartet, dass wir auch nur in die Nähe eines Viertel- oder Halbfinales kommen. Aber alle wissen, dass wir uns Viertel und Halbe hinter die Binde kippen und hübsche Bilder liefern können.
Das schönste Bild dieses Frühsommers ist in meinem Kopf. Es existieren keine Fotos oder Videoaufnahmen von diesem wunderbaren Moment. Ich muss die Erinnerung daran in Worte kleiden, um ihn für die Nachwelt zu erhalten.
Uschi Stenzel steht zu der Zeit dem ersten Wiener Gemeindebezirk vor. Sie ist quasi die Gastgeberin für die größte Party der Stadt. Die findet am Rathausplatz statt und wird Public Viewing genannt. Die Schönen und Reichen feiern unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Burgtheater. Der kleine Werquer ist Pressesprecher eines Unternehmens, das das Haus am Ring zu exakt diesem Zwecke gemietet hat. (Die Details dazu lasse ich weg.) Am Dach des besten Theaters im deutschen Sprachraum prangt ein großer Fußball. Den dürfen nur ganz besondere Gäste in Begleitung von Vertreterinnen und -ern des sponsornden Unternehmens aus der Nähe betrachten. Uschi Stenzel ist besonders – und das Dach des Burgtheaters ist besonders steil. Im roten Licht der untergehenden Sonne muss man seine Schritte vorsichtig setzen.
Die Vorsteherin hat an dem Tag schon früh zu feiern begonnen und die feierliche Stimmung beeinträchtigt ihre Standfestigkeit. Der galante Pressesprecher reicht ihr den Arm. Sie haucht ihm ein zartes „Danke!“ ins Ohr. Doch das hört der junge Mann kaum, weil just in diesem Moment die Menschen unten am Rathausplatz in Jubel ausbrechen. Er hat Tränen in den Augen.
Heute hat Uschi Stenzel ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Wir sollten ihr ein letztes Mal zujubeln.

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