Seltsam, aber immer, wenn die Rede von den Produktionsbedingungen die Rede ist, unter denen die ach-so-schönen und vor allem praktischen iPhones hergestellt werden, gehen die Wogen hoch. (Konkreter Anlassfall heute war diese Geschichte im Standard „Foxconn: Studenten zu Arbeit an iPhone 5 gezwungen“. Die Wogen sind im Standard-Forum und auf Twitter nachzulesen, tun aber eigentlich nichts zur Sache. Mit geht es um ein paar grundsätzliche Gedanken.)
Das mit den Smartphones und insbesondere das mit dem iPhone ist eine verzwickte Sache. In Kurzversion: Wer dazugehören will, braucht eins und idealerweise immer das neueste, denn das kann ja viel mehr. Und dazugehören wollen auch die Menschen, die ansonsten darauf achten, biologische Lebensmittel zu kaufen, die brav Müll trennen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und und und. Sie wissen, dass die Geräte unter bedenklichen Umständen produziert werden. Manche wissen sogar, dass die Rohstoffbeschaffung für diese Geräte mindestens so bedenklich ist und dass Geräte und Akkus schon recht bald gefährlicher Sondermüll sind, wissen sie auch.
Und? Eben! Nichts und. Wir wollen und brauchen die Dinger. (Ich selbst nehme mich da nicht aus, obwohl ich kein iPhone habe.) Die Ironie dabei: Es gibt eine Unzahl an grünen Apps[1], die die Menschen verwenden, um ihren persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, um bei anderen Produkten nachzuverfolgen, ob sie nach ethisch und ökologisch vertretbaren Kriterien hergestellt wurden. Und das auf Geräten, die genau das nicht leisten!
Apple gibt seit 2007 den Takt im Smartphone-Business an. Insofern finde ich es ja gut, wenn der Taktgeber in Artikel wie dem oben zitierten sein Fett abkriegt. Das Problem dabei: Die anderen sind nicht (oder nur kaum) besser. Der angesprochene Konzern Foxconn produziert nicht nur für Apple, sondern für zahlreiche andere Hersteller. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstraßen für andere Hersteller wesentlich von denen unterscheiden, in denen iPhones oder iPads gefertigt werden.
Apple schafft es immer noch, all diese Probleme klein zu reden und halbwegs unter Kontrolle zu halten. Und die gesamte Branche segelt in Apples Windschatten. Nicht zuletzt deshalb, weil viele der so genannten Meinungsbildner hier einen blinden Fleck haben. Wir wissen das mit der Ungerechtigkeit eh, aber bei den Smartphones es gibt leider keine Alternativen.
Die gibt’s wirklich nicht. Die paar Anläufe, „grüne Handys“ herzustellen, bewegen sich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Sie waren allesamt nicht annähernd so gut ausgestattet wie die Geräte des Taktgebers. Und wären sie es, wären sie wohl um ein Vielfaches teurer. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es für die großen Hersteller auch nicht wirklich interessant, eine „grüne Produktlinie“ zu bringen. Erstens müssten sie dann zugeben, dass die anderen Geräte so gar nicht grün sind und dass es doch Probleme bei den Produktionsbedingungen gibt (die reden sie ja klein bzw. verstecken sie hinter wunderschönen CSR-Berichten). Zweitens wären sie etwa vergleichbaren Feature-Set deutlich teurer. Bliebe also nur ein Außenseiter, der sich mit ökologisch und sozial nachhaltig produzierten Geräten profilieren könnte. Der müsste aber ordentlich investieren, um nur annähernd mit Apple und Co mithalten zu können.
Müssen wir also mit diesem Widerspruch leben? Ich glaube nicht. Es gibt Möglichkeiten, eine ganze Branche zum Umdenken zu bewegen. Dazu braucht es aber politischen Druck. Großen politischen Druck. Ich würde mir wünschen, dass solche Themen ganz oben auf der EU-Agenda stehen. Entsprechend verbindliche Kriterienkataloge (ausgearbeitet mit Experten und NGOs) könnten Grundlage für strenge Importbestimmungen sein. Ich würde mir auch wünschen, dass Aktionäre und Aktionärsvertreter dieser Konzerne solche Kriterien im Auge behalten. Als Konsument habe ich hier mangels Alternativen kaum einen Hebel, außer Konsumverzicht und mich ab und zu mal lautstark aufzuregen. Das wird aber nicht reichen.
[1] Hier nur beispielhaft ein paar Links zu Artikeln über grüne Apps: PC Mag, Planet Green, Mashable.
[Update am 10.09.2012: In anderen Bereichen, wo es mehr Auswahl und Wettbewerb gibt, gibt es Prüfsiegel. So etwa bei Computer-Bildschirmen. Hier eine aktuelle Presseaussendung dazu: „Erste Computerdisplays mit Prüfsiegel für sozialverträgliche Produktionsbedingungen„]