Vergangene Woche war viel los bei den Piraten. Da gab es nicht nur die Aktion bessereFragen.at mit der wir aufzeigen wollten, wie ernst gemeinte direkte Demokratie in Wien aussehen könnte (ein paar Bilder von der Aktion am Stephansplatz habe ich ja schon online gestellt), es gab auch zwei Diskussionsveranstaltungen: eine zur Einkommenssituation von Künstlerinnen und Künstlern und eine zum Thema Urheberrecht. Zweiteres ist ja ein Kernthema der Piraten. Dennoch haben beide Veranstaltungen gezeigt, dass wir da noch eine Menge zu tun haben – als Piraten wie als Gesellschaft.
Dieser Themenkomplex bekommt auch in Österreich immer mehr Medienpräsenz. Der Grund dafür liegt wohl vor allem in der Zuspitzung. Auf der einen Seite sind da diejenigen, die apodiktisch behaupten „Kunst hat Recht“ und damit hauptsächlich das Recht der IFPI und der Verwertungsgesellschaften meinen. Auf der Gegenseite beansprucht eine „Plattform für modernes Urheberrecht“ auch, Recht zu haben, und meint damit vor allem das Recht der Elektronikindustrie bzw. der Handelsunternehmen. Für Stimmen, die darauf hinweisen, dass alle irgendwie Recht haben und die zusätzlich auch noch auf das Recht der Künstlerinnen und Künstler und auf jenes der Internet-User pochen, bleibt da nicht mehr viel Platz. Schon gar nicht, wenn die sich Piraten nennen und keine einfachen Antworten aus dem Hut zaubern können. Die einfachen Antworten gibt es nicht. Auch die Festplattenabgabe ist keine. Doch der Reihe nach:
„Wovon sollen Künstler leben?“
Am Mittwoch hatten wir zu einer Podiumsdiskussion ins Amerlinghaus geladen. Namhafte Vertreter diverser Kunstsparten waren der Einladung gefolgt. Darunter auch Gerhard Ruiss, der sich im Vorfeld dazu bereit erklärt hatte, dort den #wolo12 entgegen zu nehmen. Die Übergabe des Preises war noch das Lustigste an der Veranstaltung. Diese war gefolgt von ein paar einleitenden Statements über die oftmals schwierige finanzielle Situation von Künstlerinnen und Künstlern in diesem Land, darüber, dass die eingenommenen Gelder in vielen Fällen nicht die Urheber, sondern bloß die Verlage erreichen und über den Kampf um die „Würde eines Berufsstandes“ (Ruiss) bzw. „um die Anerkennung als wichtige Säule der Gesellschaft“ (Dagmar Streicher, Austrian Directors‘ Association). Die Vertreter waren sich einig: Es gibt in diesem Land eine ganze Reihe struktureller Probleme, die älter sind als das Internet und die „Gratismentalität“, die es angeblich fördert. Dennoch drehte sich der Abend dann hauptsächlich um eben diesen Themenkomplex. Dabei wurde es sehr laut, sehr emotional und sehr unproduktiv. Wir Piraten konnten bis auf wenige Ausnahmen nicht das vermitteln, was wir uns vorgenommen hatten und was auch im Einladungstext stand: Uns als eine politische Kraft zu präsentieren, der freier Zugang zu Wissen ein ebenso so großes Anliegen ist wie faire Entlohnung und Wertschätzung für all jene, die dieses Wissen produzieren. Das eine kann es ohne das andere nicht geben. Gerhard Ruiss zeigte sich in der Diskussion vor allem erbost darüber, dass ihm vorgehalten wurde, „Kunst hat Recht“ würde nicht für ein Urhebervertragsrecht eintreten. Er selbst sei sehr wohl dafür, aber in der Plattform habe sich keine Mehrheit dafür gefunden. Peter Paul Skrepek von der Musikergilde stellte sich als wütender Kämpfer für sein Einkommen und den Unterhalt für seiner Kinder dar. Neben einem unguten Gefühl ist von der Veranstaltung nur hängen geblieben, dass eine Festplattenabgabe für’s Erste die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung der Situation sei.
„Urheberrecht: Diskussion weitet sich aus“
…so der Titel einer Geschichte im Ö1 Morgenjournal über eine Diskussion, die tags darauf stattgefunden hat. Dieses Mal war ich auf Einladung von EU XXL mit den Kultursprechern der Parteien am Podium. Diese Runde war deutlich weniger emotional und viel produktiver. Das hat auch der Veranstalter in einer Mail am nächsten Tag bestätigt:
„Es war eine sehr gute und wie ich fand kultivierte Diskussion, die sich auf einem bemerkenswert sachlichen Niveau bewegte. So sollte der Diskurs weitergehen.“
Das lag wohl auch an den tatsächlich teilnehmenden Personen. Am Podium waren Sonja Ablinger (SPÖ), Wolfgang Zinggl (Die Grünen) und eben ich. Die eingeladenen Vertreterinnen bzw. Vertreter von ÖVP, FPÖ, BZÖ und Team Stronach hatten entweder abgesagt oder waren einfach nicht erschienen. Die inhaltliche Schnittmenge am Podium war also recht groß. Die Differenzen waren dieses Mal eher zwischen Podium und Publikum zu spüren. Künstler und Verwertungsgesellschaften argumentierten auch hier für eine Festplattenabgabe und bei mancher Wortmeldung blitzte Verständnis dafür durch, Vorratsdaten für die Durchsetzung von Urheber- bzw. Verwertungsrechten zu verwenden. (Da bin ich dann emotional geworden.)
Festplattenabgabe egal?
Mir fallen etliche Argumente gegen die Festplattenabgabe ein. Eine pauschale Einhebung eines Betrags pro Speichereinheit (Details gibt’s hier) ist nicht besonders zielgerichtet (viele Menschen haben keinerlei Daten auf den Festplatten, die im Sinne des Urheberrechts relevant wären, viele Geräte sind gar nicht dafür gedacht, solche Inhalte zu speichern), der Schlüssel, nach dem die Verwertungsgesellschaften die Einnahmen aus der Leerkassettenvergütung ausschütten, ist zumindest hinterfragenswert und und… Doch das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Festplattenabgabe keine der Schwierigkeiten löst, die wir derzeit haben.
Die Festplattenabgabe kommt ohnehin zu spät. Seit 2005 wird vor Gerichten gestritten, ob Speichermedien für digitale Inhalte auch in die Kategorie der in § 42b Abs 1 des Urheberrechts genannten Bild- oder Schallträger fallen. Zwar hat das Oberlandesgericht Wien dies verneint, aber mit Hinweis auf den „technischen Wandel“ den Gang in die Revision für zulässig erklärt. In der Zwischenzeit diskutieren wir über die „Abschaffung der Privatkopie“, über „nutzen statt besitzen“ – also darüber, dass digitale Inhalte nicht mehr auf gekauften Speichermedien liegen, sondern irgendwo im Netz.
Der einzige Vorteil der Festplattenabgabe liegt aus meiner Sicht darin, dass sie rasch umgesetzt werden kann und dass sie kurzfristig etwas Geld in das System spült. Der Nachteil liegt darin, dass dann höchstwahrscheinlich wieder lange nichts geschieht und das System nicht grundlegend reformiert wird.
Was wir brauchen
(und mit „wir“ meine ich nicht die Piraten, sondern die Gesellschaft):
- Ein Urhebervertragsrecht, das die Rechte der Urheber gegenüber Verlagen stärkt und festlegt, dass Urheber an der wirtschaftlichen Auswertung von Werken beteiligt werden, also eine „angemessene Vergütung“ bekommen.
- Den Mut, neue Modelle auszuprobieren und zu fördern: Ich habe andernorts schon darüber geschrieben, welche alternativen Vergütungsmodelle es gibt. Einiges davon ist noch im Konzeptstadium, einiges funktioniert in Teilbereichen schon ganz gut. Ich sehe es als politische Aufgabe an, Modellversuche samt begleitender Forschung zu unterstützen. Jede Kunstgattung hat so ihre Besonderheiten. Es wird nicht alles in gleichem Maße anwendbar sein. Gerade deswegen ist es so verdammt wichtig, hier weiterzudenken.
- Eine Erweiterung des Verständnisses von Privatkopie in Richtung nicht-kommerzieller Nutzung bzw. „transformativer Werknutzung“ (also Mashups und Remixes). In ihrer Studie „Kulturelle Produktion und Mediennutzung im Alltag“ stellen die Autoren die Frage: „Wollen wir die Kreativität und Kommunikationsfähigkeit breiter Bevölkerungsschichten befördern?“. Die kann eigentlich nur rhetorisch gemeint sein. Felix Stalder, Martin Wassermair und Konrad Becker haben für das Papier ganz alltägliche Szenarien zusammengetragen, wie Menschen heutzutage mit Kunst und Kultur umgehen und ihr Tun dabei mit bestehenden Gesetzen in Konflikt kommt. Das ist erschreckend und letztlich schädlich für die kulturelle Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.
Ich habe lange überlegt, in welche Reihenfolge ich diese drei Punkte stellen soll. Es kann keine Reihenfolge geben. Alle drei sind gleich wichtig und alle drei tragen zu einer Welt bei, in der Kunst als wichtige Säule der Gesellschaft anerkannt wird und zu einer Welt, wo künstlerisches Schaffen und der möglichst freie und partizipative Zugang zu Kultur und Wissen nicht im Widerspruch stehen. Die Festplattenabgabe – so sie kommt – ist da zu wenig.
Links:
Einen sehr treffenden Bericht von der Veranstaltung „Wovon sollen Künstler leben“ hat Harald List hier gebloggt.
Die APA hat eine Zusammenfassung der EU XXL Diskussion gebracht, die unter verschieden Titeln publiziert wurde: „Debatte um Urheberrechtsnovelle geht weiter“ (Computerwelt), „Urheberrecht: So kann es nicht bleiben“ (Futurezone) und „Keine Einigung bei Diskussion über Festplattenabgabe“ (Krone.at).