Hackerinnen und Hacker sind vielleicht etwas schräg, aber bestimmt recht liebe, weltoffene Lebewesen, die das Universum zum Besseren verändern wollen und irgendwie auch gute Ansätze dafür haben. Zumindest verstehen sie was von Technik. Wenn das die Botschaft sein soll, dann transportiert „All Creatures Welcome“ sie perfekt.
Ich durfte vergangenen Samstag anlässlich des Screenings dieses Films von Sandra Trostel im Namen von epicenter.works ein paar Worte in ein Mikrofon sprechen. Das habe ich gerne getan, weil ich jede Gelegenheit wahrnehme, um für Unterstützung für unseren Einsatz für Grund- und Menschenrechte zu werben, weil ich mich als Teil der Großfamilie rund um den Chaos Computer Club (CCC) verstehe und weil ich gespannt auf den Film war.
Gespannt bin ich nun nicht mehr. Habe den Film gesehen. Zwei Gruppen von Lebewesen haben das mit mir getan. Die eine zählt sich wie ich zur Großfamilie des CCC. Ihre Mitglieder haben schon mal auf einem Chaos Communication Congress oder einem Camp erlebt, dass „Be excellent to each other“ oder eben „All creatures welcome“ ehrliches Bemühen aller Beteiligten sind und keine leeren Hülsen. Dieses Bemühen ist ein Grund für den (nahezu) reibungslosen Ablauf der riesigen Events. Tausende Stunden freiwillig geleisteter Arbeit und das Bewusstsein, dass „Der Congress“ oder „Das Camp“ das sind, was wir daraus machen. Der zweite Grund liegt in der fetten Internetanbindung dort. Und auch hier gilt: Spaß ist, was wir daraus machen. Für diese Gruppe bietet der Film zahlreiche Trigger für Ohs und Ahs. Erinnerungen an eine außergewöhnliche Zeit, bekannte Menschen, bekannte Situationen, Insider-Schmähs. All das. Ich werde hier keinen der Schmähs wiederholen. Und zwar aus Rücksicht auf die zweite Gruppe – also diejenigen, die sich den Film nicht wie ein Familienalbum ansehen, sondern aus einem anderen Interesse. Dieser Gruppe macht es der Film nicht unbedingt leicht. Er vermittelt ihnen zwar, dass Hackerinnen und Hacker liebe Kreaturen sind, ich bezweifle allerdings, dass sie das Bedürfnis entwickeln, jemals zu einem dieser Events zu kommen.
Das liegt bis zu einem gewissen Grad auch an der Idee für die Struktur des Films. Die Regisseurin muss als „Film Gizmo“ ein Game in 8-Bit-Anmutung durchspielen, um Hackerkultur und Hackerethik zu begreifen. Das mag ästhetisch interessant sein, führt aber zu einem Problem, das nicht nur diesen 87 Minuten Film innewohnt, sondern der gesamten „Szene“ (und da nehme ich mich nicht aus): „Natürlich bist du willkommen, aber du brauchst trotzdem eine hohe Motivation oder gutes Vorwissen, um unsere Schwelle zu übertreten.“
Grundsätzlich ist das ja OK. „Szenen“ funktionieren nun mal so und für Events gibt es eine „natürliche“ Obergrenze an Teilnehmenden, ab der man sich als Individuum nicht mehr wohlfühlt. Eigentlich bräuchten wir als epicenter.works und als Chaos Computer Club aber mehr Lebewesen, die mit uns dafür eintreten, das Internet als freie und offene Plattform zu erhalten. Mehr, die dafür sorgen, dass Grund- und Freiheitsrechte auch im „Digitalen Zeitalter“ gelten und mehr, die die Hackerethik in die Welt tragen:
- Der Zugang zu Computern und allem, was einem zeigen kann, wie diese Welt funktioniert, sollte unbegrenzt und vollständig sein.
- Alle Informationen müssen frei sein.
- Misstraue Autoritäten – fördere Dezentralisierung
- Beurteile einen Hacker nach dem, was er tut, und nicht nach üblichen Kriterien wie Aussehen, Alter, Rasse, Geschlecht oder gesellschaftlicher Stellung.
- Man kann mit einem Computer Kunst und Schönheit schaffen.
- Computer können dein Leben zum Besseren verändern.
- Mülle nicht in den Daten anderer Leute.
- Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen.
Was ich hier zitiere ist nämlich längst kein Thema mehr für Nerdinnen und Nerds, sondern enthält einige Hinweise auf Antworten zu brennenden Grundsatzfragen unserer Gesellschaft.
So, und jetzt weiß ich auch nicht.