Weil es gerade so modern ist sich als Wutbürger zu bezeichnen, weil gerade allerorten lautstark nach Veränderung gerufen wird und weil „Ocuppy [whatever]“ so furchtbar trendig ist, habe ich eine kleine Besprechung von Anneliese Rohrers Buch „Ende des Gehorsams“ (Braumüller) geschrieben.
Anneliese Rohrer wird landauf und landab als Kennerin der österreichischen Innenpolitik gelobt. Seit einiger Zeit genügt es ihr aber nicht mehr, die politischen Vorgänge im Land mit scharfer Zunge und spitzen Formulierungen zu sezieren. Sie dreht den Spieß um und thematisiert nicht mehr die Rolle der Politiker, sondern die des Volkes. Dessen Verhältnis zu Politik und Politikern ist geprägt von Passivität – einmal in Form von Abscheu, ein anderes Mal in Form eines Ohnmachtsgefühls oder stumpfer Obrigkeitshörigkeit. Während etwa in Deutschland schon von der Metamorphose der Wutbürger in Mutbürger gesprochen wird, herrscht in Österreich nahezu vollkommener Stillstand, der in einem „Multiorganversagen der Demokratie“ zu enden droht. Dagegen schreibt Rohrer mit großer Leidenschaft und ebenso viel Fachwissen an. Das macht den Text durchaus lesenswert. Dabei will Rohrer gar keine Revolution. Sie will nur, dass die Menschen in diesem Land von ihrem Recht zur Mitsprache Gebrauch machen, die dafür vorgesehenen Instrumente nutzen und die hart erkämpften Errungenschaften der Demokratie verteidigen. Der Ausweg aus der „Politik der Politiklosigkeit“ ist das Ende des Gehorsams. An sich ist das ja nicht viel. Schade, dass es in Österreich Bücher wie dieses braucht.
P.S. Vor ein paar Wochen habe ich das Wort „Wutbürger“ aus meiner Twitter-Biografie gelöscht. Ich misstraue der aktuellen Mode zutiefst.