Die siebente Veranstaltung der Reihe twenty.twenty steht unter dem Motto „Greenovate! Entrepreneurship goes green“. Seit Jahren gelten Umwelttechnologien als Boombranche. Österreichische Unternehmen zeigen mit viel Innovationsfreude Lösungen auf und verdienen auch ganz ordentlich damit. Im Aufruf zur Blogparade steht die Frage „Was fehlt?“ – Es fehlt an allen Ecken und Enden…
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz rückt die „Vergessene Katastrophe“ (© profil) mal wieder in den Fokus des medialen Interesses und NGOs fordern vehement mehr Engagement bei der Erreichung der Klimaschutzziele ein. So schreibt etwa die „Allianz Klimagerechtigkeit“ in der zahlreiche Umweltschutzorganisationen zusammenarbeiten:
„Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, müssen die Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent bis 2020 und um 95 Prozent bis 2050 reduzieren.“
Johannes Wahlmüller, Klima- und Energieexperte von GLOBAL 2000 appelliert an Umweltminister Berlakovich:
„Das bisherige Emissions-Minderungsziel der EU von 20 Prozent bis 2020 reicht dazu bei weitem nicht aus und muss in einem ersten Schritt auf mindestens 30 Prozent erhöht werden. Doch während sieben europäische Staaten wie Deutschland und Großbritannien auf mehr Klimaschutz drängen, blockiert Österreich. Umweltminister Berlakovich muss endlich seine ablehnende Haltung gegenüber ambitionierteren EU-Zielen aufgeben und sich für Klimaschutz stark machen.“ (Den vollständigen Text gibt es hier.)
Da passt was nicht zusammen!
Gleichzeitig gibt es auch viel Positives zu vermelden: Österreichs Grüne feiern dieser Tage ihr 25jähriges Bestehen und listen stolz ihre Erfolge auf. In ihrer Jubiläumspublikation schreiben sie:
„Vor 25 Jahren war es für weite Teile der Gesellschaft unvorstellbar, ambitionierten Umweltschutz mit erfolgreicher Wirtschaftspolitik zu verbinden. Heute stellt keiner mehr infrage, dass grüne Technologien die Wirtschaftsmärkte der Zukunft sind.“
Und das belegen auch Zahlen, die das Wirtschaftsforschungsinstitut 2009 erhoben hat. Die Kurzfassung: 375 Unternehmen, 22.000 Beschäftigte, 6 Milliarden Euro Umsatz.
Das Lebensministerium hat auch aktuellere Zahlen.
„Der Umweltsektor ist mittlerweile generell zu einem starken Wirtschaftsfaktor in Österreich herangewachsen. Einen erheblichen Anteil an dieser Entwicklung haben heimische Unternehmen im Bereich der Umwelttechnologien. Diese haben sich zu einem maßgeblichen Player in der österreichischen Wirtschaftslandschaft entwickelt. Das Umsatzwachstum betrug im Jahr 2010 plus 11,8 Prozent, das Beschäftigtenwachstum plus 5,3 Prozent, die Exportquote 84,7 Prozent.
Die aktuellen Ergebnisse zeigen, dass der Umwelttechniksektor die wirtschaftliche Krise gut überstanden hat und bereits wieder stark zunimmt. Das Wachstum liegt deutlich über dem Durchschnitt der gesamten Sachgüterproduktion (Nettoproduktionswert 2010: plus 6,9 Prozent). Wachstumstreiber ist wie in anderen Sektoren auch in der Umwelttechnik der Export.“ (Quelle: Pressesprecherin Claudia Jung-Leithner)
Die wirtschaftlichen Parameter bei Umwelttechnologien zeigen nach oben, aber die Klimasituation verschlechtert sich! Nicht nur auf globaler Ebene, sondern auch lokal. Österreich wird aller Voraussicht nach seine Klimaziele nicht erreichen und die Feinstaubbelastung war hierzulande noch nie so schlimm wie in diesen Novembertagen. Pessimismus ist also angesagt. Die Presseaussendung zu einer Studie, die die WWF Climate Group und KPMG heute präsentiert haben, trägt folgerichtig den Titel „Neue Studie zeigt Klimaschutzpessimusmus in Österreichs Wirtschaft“. Die wichtigsten Erkenntnisse:
„Doppelt so viele österreichische Unternehmen wie im Jahr 2010 erwarten sich 2011 negative Auswirkungen auf ihren Betrieb durch die Folgen des Klimawandels. Um 15 Prozent weniger Unternehmen glauben an die Erreichbarkeit der internationalen Klimaschutzziele. Der Handlungswille der heimischen Wirtschaft ist trotzdem deutlich erkennbar: 67 Prozent sehen die Chance neuer Geschäftsfelder, drei Viertel eine Steigerung der Innovationsfähigkeit. Mehr als die Hälfte der Unternehmen wünscht sich aber endlich klare politische Anreize.“
Was fehlt also wirklich?
Das Umwelt-Thema ist nicht nur gleichermaßen regional wie global, es betrifft auch Einzelpersonen genauso wie Unternehmen und die Politik. Handeln ist gefragt und zwar auf allen Ebenen. Ebenso sind innovative Ansätze gefragt. Mit denen lässt sich auch Geld verdienen.
- Innovationsfeld 1 – Politische Rahmenbedingungen: Von Nachfolgemodellen für den CO2 Emissionshandel über die Schaffung besserer Rahmenbedingungen für nachhaltige Produktion bis hin zu ökologischen Steuermodellen oder zur weiteren Förderung von Umwelttechnologien bieten sich viele Möglichkeiten für grüne Innovationen im Politikbereich. Die aktuelle Diskussion um die politische Verantwortung (Bund oder Länder) für die Eindämmung der Feinstaubbelastung zeigt auch die Notwendigkeit struktureller Maßnahmen.
- Innovationsfeld 2: Grüne Technologien / Umwelttechnik: Dieser Wirtschaftszweig weist seit Jahren überdurchschnittliches Wachstum auf. Es herrscht breiter Konsens darüber, dass der Umstieg auf erneuerbare Energieträger nicht schnell genug vor sich gehen kann. Österreichische Unternehmen haben hier viel zu bieten: Photovoltaik, Brennstofftechnologie, Biomasse- und Solaranlagen sind da. Sie warten nur auf flächendeckenden Einsatz in privaten Haushalten und Unternehmen. In heimischen Umwelttechnik-Clustern werden auch Lösungen für effizientere bzw. umweltschonendere Produktion entwickelt. Bei deren Einsatz gehen wirtschaftliches Optimierungspotenzial und Klimaschutz meist Hand in Hand. Laut WiFo-Studie ist MSR (Mess-Steuer- und Regeltechnik) aus Österreich besonders gefragt. Auch im Bereich Pollution- Management zur Senkung des Schadstoffausstoßes und bei Technologien zum Abfallmanagement wird viel geforscht und entwickelt.
- Innovationsfeld 3 – Bewusstseinsbildung: Ich gehe davon aus, dass das Umweltbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher auf einer abstrakten Ebene sehr hoch ist. Saubere Umwelt wird als Wert sicherlich sehr hoch eingeschätzt. Auf einer praktischen Ebene mangelt es aber. Meine große Hoffnung ist, dass Apps und die Visualisierung von persönlichen Umweltdaten hier die Sensibilität schärfen können. Privatpersonen bzw. private Haushalte bekommen immer mehr Informationen über die von ihnen genutzten Produkte und über ihren CO2 Footprint. Unternehmen sollten immer stärker an ihren Umweltaktivitäten gemessen werden. Dazu ist es nötig, möglichst vergleichbare Daten zu haben. Es gibt eine Reihe von Ansatzpunkten wie etwa die Richtlinien der GRI (Global Reporting Initiative), die Benchmarking ermöglichen, die EMAS Zertifizierungen oder das österreichische Umweltzeichen. Bei der Beurteilung von Unternehmen sollten nicht nur wirtschaftliche Kriterien oder die Qualität von Produkten und Dienstleistungen eine Rolle spielen, sondern auch ob sie sich an solche Standards halten bzw. wie sie im Vergleich mit anderen Unternehmen der Branche liegen.
- Innovationsfeld 4 – Grüne Prozesse: Auf der Prozess- und Logistikebene gibt es reichlich Potenzial für Verbesserungen und Innovationen. Viel strapaziertes Beispiel sind Videokonferenzen, die helfen Reisekosten zu senken und sich positiv auf die CO2-Bilanz auswirken. In der Presseaussendung zu WWF/KPMG Studie wird Hans Lanzinger, Geschäftsführer der Pfanner Getränke GmbH, zitiert: „In vielen heimischen Branchen befinden sich die größten CO2-Reduktionspotentiale nicht im Kerngeschäft, sondern in vor- und nachgelagerten Stufen, wie der Rohstoffbeschaffung oder dem Vertrieb.“ Aus meiner Sicht fällt auch Thema Smart Cities fällt in diesen Bereich. Da gibt es einige Versuche in Form von Klima-, Energie- und E-Mobilitäts-Modellregionen. Ein schnellerer Rollout wäre aber überaus wünschenswert.
- Innovationsfeld 5 – Grüne Produkte: Mein persönlicher Eindruck ist, dass Österreich im Bereich Bio-Lebensmittel ganz gut aufgestellt ist. Bei anderen (Konsum-)Gütern ist die Situation bedeutend schlechter. Besonders fällt es mir bei Consumer-Electronics auf: Nahezu jede Österreicherin bzw. jeder Österreicher hat ein Handy. Und nahezu jedes Handy ist genau genommen gefährlicher Sondermüll. Und die paar „grünen“ Handymodelle können den state-of-the-art Smartphones nicht einmal ansatzweise das Wasser reichen.
An das Ende des längsten Blogposts, den ich jemals verfasst habe, stelle ich ein kurzes Fazit:
Nicht jeder kann ein Greenovator sein und mit grünen Produkten oder Dienstleistungen Geld verdienen, aber jeder hat die Möglichkeit, sich für breiteren Einsatz von Greenovations zu engagieren bzw. sie selbst einzusetzen. Jetzt!