Hacking Music

Hier ein Text, den ich für The Gap fabuliert habe. Der ist gleichzeitig auch eine Erinnerung an den überaus inspirierenden 29C3 (29th Chaos Communication Congress).
Hacks an musikalischer Hardware erleben eine Renaissance. Der deutsche Künstler Moritz Simon Geist will den Sound vom elektronischen Dogma befreien und hat dafür einen überdimensionalen Drumroboter gebaut. Der US-Amerikaner Moldover arbeitet mit seinem Mojo überhaupt an der »domination of the entire multiverse«.

Ein Hack ist eine kreative Lösung, mit der die Möglichkeiten einer Software, eines Geräts oder auch eines Systems erweitert werden. Die Manipulation musikalischer Hardware hat eine lange Tradition. Am bekanntesten ist wohl das präparierte Klavier von John Cage. Einige Zeit schien es so, als würde die kreative Beschäftigung mit Klangerzeugung und –manipulation im Digitalen aufgehen. In den letzten Jahren erleben Musikrobotik und haptische Interfaces für Musikinstrumente – Arduino sei Dank – einen neuen Auftrieb. Der Reactable, ein tischförmiger Synthesizer, der über physische Objekte gesteuert wird, ist eines der bekanntesten Beispiele.

Bastlergenie und Rampensau

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Moldover aus San Francisco. Er hat sich mit dem Mojo ein Musikinstrument geschaffen, mit dem er seinem Hang zur Rockstarpose nachgehen kann. Wenn er sich das kofferförmige Instrument mit seiner Unzahl an Reglern und Knöpfen umhängt, bleibt kein Auge trocken. Die Bedienelemente lassen sich mit unterschiedlichen Sounds und Effekten belegen. Was der Musiker dem Mojo entlockt, klingt so weird wie seine Ansage, er wolle mit seinem Controlerism »domination of the entire multiverse« erreichen. Vor allem aber ist seine Performance sehenswert. Moldovers Erstlings-Album gibt es auf seiner Website zum Download und wer die CD bestellt, bekommt auch einen Bausatz für ein lichtgesteuertes Theremin dazu, das in das CD Case eingebaut ist. Selbstredend, dass Moldover auch die Bauanleitung für Mojo gemäß Open Design-Prinzipien offengelegt hat.

Reminiszenz an Drumcomputer-Legende

Auch der Drumroboter MR-808 von Moritz Simon Geist ist eine imposante Bühnenerscheinung. In der schrankförmigen Installation sind Percussion-Instrumente und jede Menge LEDs verbaut. Der überdimensionale Nachbau des legendären Drumcomputers Roland TR-808 reproduziert den 80er Sound mit physischen Klanggebern. Das ist an sich schon sehr beeindruckend. Die Lichteffekte verstärken das noch weiter.

Der klassisch ausgebildete Musiker Geist beschäftigt sich seit 2003 mit Musikrobotik. Seit 2011 entwickelt und baut er am MR-808. Dabei interessiert ihn vor allem das Verhältnis von Determinismus und Zufall. Digital erzeugte Sounds und Patterns sind vorhersehbar. Wenn sie in der physischen Welt nachgestellt werden, gewinnen Zufall und Fehler wieder an Gewicht und machen jede Performance einzigartig. Damit erntet der MR-808 nicht nur Beifall auf Konferenzen, wie kürzlich beim Chaos Communication Congress in Hamburg, sondern auch bei seinen Auftritten mit der Band Science Fiction Children.
Details zum MR-808
Elf ausgewählte Klänge des legendären Drumcomputers Roland TR-808 wurden durch mechanische Aktoren und physische Tongeber nachgebildet. Folgende Instrumente wurden verbaut: Snare, Bassdrum, Hi-Hat, Carabassa, Clave, Ride, Clap, Toms (3x) und Cowbell. Sie werden über MIDI angesprochen. Arduino-Controller steuern die Mechanik und die Lichteffekte. Die Patterns werden über Ableton Live entwickelt.
Mehr zu den Arbeiten von Simon Moritz Geist auf Sonic Robots.

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