Episode 11 meiner höchstpersönlichen Musikbiografie
Es muss irgendwann in der ersten Hälfte der 1990er Jahre gewesen sein, da war ich mit einem Freund für eine Woche in Moskau. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, in welchem Jahr das genau war. Die Sowjetzeiten waren jedenfalls vorbei und am Arbat standen die Moskowiter Schlange vor der McDonalds-Filiale. Die Schwester meines Freundes arbeitete damals in der österreichischen Botschaft. Das war doppelt praktisch: Wir reisten auf ihre Einladung nach Russland (was die Visumsformalitäten erleichterte) und wir konnten in ihrer Wohnung schlafen (was unseren dünnen Studentengeldbörsen entgegenkam). Unsere Nächte verbrachten wir meist in einer Bar, in der sich Botschaftsangehörige aus aller Welt tummelten. Es war zwar immer sehr unterhaltsam dort, hatte aber nichts mit dem Leben der jungen Menschen zu tun, die in der Stadt lebten.
Eines Nachts lernten wir in dieser Bar ein einheimisches Mädchen kennen. Eine wahre Schönheit. Wir griffen tief in unsere dünnen Studentengeldbörsen und luden sie auf den einen oder anderen Drink ein. Wir befragten sie, welche Bands in Russland das Erbe des Punk verwalteten. Sie empfahl uns unter anderem Kino. Deren Sänger Viktor Tsoi war 1990 bei einem Autounfall verstorben und würde in Russland so verehrt wie Jim Morisson oder Ian Curtis anderswo. Wir fragten sie, was sie als Einheimische mit dem nicht mehr ganz so jungen Abend anfangen würde. Sie wusste von einem illegalen Rave, das um diese Zeit sicher noch im Gange wäre.
Ein illegales Rave in Moskau! Ein Drink noch in dieser überteuerten, von Wichtigtuern aus aller Welt bevölkerten Bar und dann würden wir uns in das wahre und echte Nachtleben Moskaus stürzen! Voller Vorfreude wankten wir die Stufen zum Ausgang hoch. Die Sonne schien schon. In der frischen Luft merkten wir, dass wir schon einiges getankt hatten. Egal! Die Sause wollten wir uns nicht entgehen lassen. Am Eingang zur Metro standen Menschen, die alles feilboten, was sich irgendwie zu Geld machen ließ. Von jungen Katzen über alte Bilder bis zu Hausrat. Wir fuhren in Richtung Stadtrand. Wohin genau, kümmerte uns nicht. Unsere Begleiterin kannte den Weg zur Party. Als wir endlich ankamen, war es schon ziemlich heiß. Aus einer Baustelle wummerte Techno. Am Eingang standen zappelige Youngsters, die offensichtlich auf Speed waren. Dem Freund und mir machten der Alkohol und die Müdigkeit schon einigermaßen zu schaffen. Die russische Schönheit war guter Dinge. Sie verhandelte mit dem Türsteher. Ich weiß heute nicht mehr, wie viel Eintritt er damals von uns Touristen verlangte. Es war uns jedenfalls zu viel. Dem Mädchen wurde es dann auch zu viel mit uns beiden und sie schlüpfte – ohne sich von uns zu verabschieden – am Türsteher vorbei ins Getümmel. Wir trabten zurück zur Metro und fuhren schweigend zurück zu unserer Unterkunft. Am Nachmittag kaufte ich mir dann eine CD: Zvezda po imeni Solntse von Kino.