Maispace 2013: „Sharing Economy needs Sharing Lifestyles“

Ich wurde vom Verlag Neue Arbeit eingeladen, einen Text für das Maispace Sharing Economy Camp  zu schreiben. Dieser befindet sich in der Maischrift mit dem schönen Titel „Sharing wird die Welt verändert haben“. Meine Text- und Gedankennachbarn dort sind Johanna Stögmüller, Georg Russegger und Armin Medosch.
Maispace findet am 30. April 2013 in der <>< Grellen Forelle statt. Gehet hin!

Grafik: Bureau FFabienne

—Und hier mein Text:—
Es ist bestimmt kein Zufall, dass parallel zu den Finanz-, Banken- und Staatskrisen, die seit 2008 die Welt durchschütteln, ein Hype entsteht, der auf uralten Traditionen fußt. Teilen kommt wieder in Mode. Eine Tugend, die schon den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften als Selbstverständlichkeit galt, kommt heute neu aufgeputzt – und gestärkt durch die technologischen Möglichkeiten der Vernetzung – als Sharing Economy oder Collaborative Consumption bei der Tür herein. Allzu oft vergisst man dabei, dass es hier eben nicht um Ökonomie, sondern um eine Tugend handelt. In der Sharing Economy gilt nämlich eine andere Währung – und die heißt Vertrauen.
2011 bezeichnete das TIME-Magazine Sharing als eine von zehn Ideen, „that will change the world“. Der Economist brachte kürzlich eine Geschichte über „The new sharing economy“. Und die diesjährige CeBIT hatte „Shareconomy“ als Leitthema. Der Megatrend manifestiert sich in vielen Facetten von Carsharing über Tauschbörsen bis zu städtischen Gemeinschaftsgärten. Hinter dem Schlagwort „Nutzen statt besitzen“ tut sich ein weites Feld von Tauschen, Teilen und Leihen auf, das als Lösung für einige der großen Probleme unserer Zeit gilt. Die Rechnung ist simpel: Wenn wir Konsumgüter, Fortbewegungsmittel oder Rechenkapazitäten in der Cloud teilen, muss insgesamt weniger produziert werden und die begrenzten natürlichen Ressourcen werden entlastet. Im Idealfall greifen wir dann auch auf Produkte mit höherer Qualität zu. Ein gemeinschaftlich angeschafftes und genutztes Werkzeug wird in der Regel mehr Funktionalitäten haben und langlebiger sein als Geräte, die wir uns als einzelne Anwender leisten können. Die gemeinsame Bewirtschaftung der Allmende ist aus der Vogelperspektive betrachtet ein Beitrag zu mehr ökologischer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Die Architektur des Internets ist bestens dazu geeignet, schnell und treffsicher zwischen Angebot und Nachfrage zu vermitteln. Das zeigt etwa der Erfolg von Airbnb, einer Plattform zur Vermittlung von privaten Unterkünften. Airbnb zeigt wie Ressourcen mit Hilfe des Netzes in großen Dimensionen getauscht werden können statt wie bisher nur in kleinen sozialen Einheiten. Im Vorjahr hatte die Plattform 2,5 Millionen Nutzer. Bei Airbnb wird ein weiterer Aspekt sichtbar, der bei der aktuellen Diskussion zu kurz kommt: Wo geteilt wird, gibt es eine direktere Beziehung zwischen den Menschen. Da reicht die Vogelperspektive nicht mehr aus. Wer seine Wohnung oder sein Haus mit jemandem teilt, will darauf vertrauen können, dass die oder derjenige sich verhält wie ein Gast. Wer in ein Auto aus einem Carsharing-Pool steigt, will, dass es sauber hinterlassen wurde und über eventuelle Schäden am Wagen informiert sein. Wer die Produkte künstlerischen Schaffens zur freien Nutzung zur Verfügung stellt, will oft nicht, dass diese kommerziell verwendet werden.
Was in kleineren Communities relativ einfach ausgehandelt werden kann, stellt in größeren Zusammenhängen oftmals ein Problem dar. Natürlich fließt in der Sharing Economy auch Geld, etwa für Vermittlungsleistungen oder in Form von mietähnlichen Zahlungen. Die eigentliche Währung sind allerdings Reputation und das Vertrauen, die die Nutzer solcher Systeme genießen. Reputation lässt sich in Online-Services teilweise abbilden, etwa durch Bewertungsmechanismen. Was dahinter steht, ist allerdings eine andere Denk- und Lebensweise. Deren Änderung ist ein notwendiger gesamtgesellschaftlicher Prozess, der länger dauert als ein durchschnittlicher Hypecycle.

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