Seit Freitag vergangener Woche gibt es ein neues Opfer, das an der großen chinesischen Firewall verbrannt wird. Foursquare ist ein kleiner, aber vielversprechender Dienst, der sich als sozialer Reiseführer in den letzten Monaten zum Liebkind der Geekeria gemausert hat. Das Prinzip ist denkbar einfach, aber überzeugend umgesetzt: Die Mitglieder der Community machen sich Reiseführer und Lokaltipps selbst und in Kombination mit der GPS Lokalisierung von Smartphones findet man in jeder noch so fremden Stadt den gerade angesagtesten Ort für den Verzehr von asiatischen Trendspeisen oder für die Einnahme von alkoholhaltigen Erfrischungsgetränken in Gesellschaft der Lokalprominenz.
Dagegen kann ja nicht einmal die Regierung der Volksrepublik China etwas haben. Sollte man meinen. Doch das offizielle China hat etwas dagegen. Zwar hat Foursquare gerade mal kolportierte 1,5 Millionen User und doch – oder gerade deshalb – haben chinesische Dissidenten es als Kommunikationsform zum 21. Jahrestag der Massaker am Tian’anmen Platz für sich entdeckt. Sie „checken“ über Foursquare am Platz des Himmlischen Friedens ein. (Welch zynische Bezeichnung für einen Ort, an dem 3.000 Menschen ihr Leben lassen mussten…) Ihre Kommentare und Tipps zu dieser Location sind nun den chinesischen Behörden aufgefallen und diese haben sicherheitshalber den Foursquare Traffic in China geblockt. Angeblich sollte die Sperre nach dem Jahrestag der gewaltsamen Beendigung (der wäre am 3. bzw. 4 . Juni gewesen) wieder aufgehoben werden. Bislang habe ich nichts davon gelesen.
Damit ist die lange Geschichte der Unterdrückung von Kommunikation und dem Filtern von Informationen in China wieder um ein Kapitel länger. Nicht genug damit, dass die Ergebnisse großer Suchmaschinen in China systematisch gefiltert werden, nicht genug damit, dass IP-Adressen unliebsamer Webseiten geblockt werden oder Kommunikation nach bestimmten Begriffen durchsucht wird, nun wurde ein Service komplett gesperrt.
Ich bin kein besonderer Fan von Foursquare. Das ist auch gar nicht das Thema. Das Thema ist schlichtweg freier Zugang zu Informationen und freie Meinungsäußerung. Seit heute äußere ich meine Meinung zu den Vorgängen in China jeden Tag in der Früh vor der chinesischen Botschaft in Wien. Die liegt nämlich auf meinem Arbeitsweg und in einem Straßenzug der – Achtung Symbolcharakter! – auf den Namen Metternichgasse hört. Wer dem Regime in Peking auch etwas sagen möchte, kann ebenfalls via Foursquare dort einchecken.
Übrigens war ich es, der die Botschaft auf Foursquare angelegt hat und ich werde meinen Titel als „Mayor“ verteidigen!