Philotas im Vestibül: Es braucht nicht viel, um einen gelungenen Theaterabend zu schaffen

Im Vestibül des Burgtheaters wird der Beweis erbracht, dass es nicht viel braucht, um einen guten Theaterabend zu schaffen. Michael Höppners Inszenierung von Lessings Philotas kommt weitgehend ohne Pomp, Trara und bemüht kreative Regieeinfälle aus. Simon Kirsch spielt den jungen Heißsporn Philotas in einem kleinen Rechteck, nutzt den Raum voll aus, geifert, wütet, weint. Ein paar mit Bedacht gewählte Requisiten (Bett, Dusche, Fernseher) stellen das Gefangenenzelt dar, in dem er sein Schicksal beklagt, einen fatalen Plan entwirft und damit die Pattsituation nicht auflöst, sondern sie sogar auf Dauer festschreibt. Der Krieg zwischen den Land seines Vaters und dem von König Aridäus (gespielt von Markus Hering) geht weiter.

Schon bei seinem ersten Kampfeinsatz gefangen genommen sieht Philotas sich als Schande für seinen königlichen Vater. Zwar könnte er gegen den ebenfalls gefangenen Sohn von Aridäus ausgetauscht werden, doch er will die „Waage zerschlagen“. Er täuscht den König, dessen Feldherren Strato (Bernd Birkhahn spielt ihn mit abgeklärt-spöttischem Lächeln) und auch seinen treuen Weggefährten, den Soldaten Parmenio (Jürgen Maurer). Durch Selbstmord will er sich zum vermeintlichen Helden machen und den König schachmatt setzen.
Was Lessing 1759 als aufklärerische Anklage gegen den preußischen Militärstaat angelegt hatte, hat in Zeiten religiös-ideologisch verblendeter Selbstmord-Attentäter nach wie vor Gültigkeit.
Dem Publikum, das an den vier Seiten des Rechtecks angeordnet ist, wird im Vestibül Theater im besten Sinne geboten: Ein Schauspiel, das von Darstellern lebt, die sich in ihrem Text erkennbar wohl fühlen, die sich nicht hinter Requisiten oder multimedialen Spielereien verstecken können. Umso besser kommen dann Regieeinfälle zur Geltung – wie etwa die Dusche, aus der schwarzes Wasser fließt.
Was man der Inszenierung vorwerfen kann: Im Jahr 2011 sollte man den Menschen die Ideen der Aufklärung nicht mehr erklären müssen. Das aus dem Körper des toten Philotas geformte Hakenkreuz ist so gesehen nicht nötig. Auch die Musikauswahl ist nicht immer ganz geglückt („The End“ von den Doors eine Spur zu plakativ, das italienische Partisanenlied „Bella Ciao“ nicht unbedingt passend). – Insgesamt gilt aber das oben Geschriebene: Höppner hat einen gelungenen Theaterabend geschaffen. Dazu braucht es nicht viel Material, aber viel Sensibilität und Können.

Weiteres:
Philotas auf der Website des Burgtheaters
Notiz von Christian Köllerer

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