Regieanweisung: „Quält euch!“

Der Standard lobte Andrea Breths Inszenierung von „Diese Geschichte von Ihnen“ schon 2016 als „Riesenwurf“  und die schauspielerische Darbietung von Nicholas Ofczarek als „Gipfelleistung“. Vergangenen Donnerstag hatte ich Gelegenheit, mich im Akademietheater selbst zu überzeugen. Um es kurz zu machen: Standard-Rezensent Ronald Pohl übertreibt nicht. Der lange Theaterabend – Breth nimmt sich viel Zeit, die Tiefen einer geschundenen Polizistenseele auszuleuchten – zählt zu den intensivsten, die ich in den vergangenen Jahren erlebt habe.
Die Rahmenhandlung von John Hopkins‘ Stück (im Original „This Story of Yours“, 1969) ist schnell erzählt. Johnson (Nicolas Ofczarek) hat es nach zwanzig Jahren im Polizeidienst nur bis zum Sergeant gebracht. Im Laufe der Zeit hat er viel Grausamkeit, Brutalität und menschliches Leid gesehen und keinen Weg gefunden, das in irgendeiner Weise zu verarbeiten, oder auch nur darüber zu reden. Als er Baxter (August Diehl) festnimmt, der mutmaßlich ein kleines Mädchen schwer misshandelt hat, spielt sich Johnson zum Richter auf und prügelt den Verdächtigen während des Verhörs zu Tode.
Die Hauptfigur ist ein durch und durch armseliger Charakter. Diese Tatsache eröffnet Ofczarek die Möglichkeit, alle Register seines schauspielerischen Könnens zu ziehen. Mit vollem Körpereinsatz zeigt er ein Spektrum, das von weinerlichem Selbstmitleid über selbstgefällige Überheblichkeit und schmierige Jovialiät bis hin zu brutaler Gewalt reicht. Das ist fulminant. (Dieses Wort verwende ich selten.)
Ebenso fulminant ist Andrea Breths Inszenierung. Ich stelle mir vor, dass ihre wichtigste Regieanweisung gelautet hat: „Quält euch!“
Nicht nur, dass die Hauptfigur sich mit Selbstzweifeln und seine Umwelt mit Verachtung quält, auch ihre Gegenüber setzen ihr gehörig zu: Ehefrau Maureen (Dörte Lyssewski) mit ihrem passiv-aggressiven Verhalten, Cartwright, der auf die Untersuchung des Falles angesetzte Beamte (Roland Koch) sowieso, aber auch Baxter (der Tatverdächtige) kann seinem Peiniger etliche schmerzhafte Schläge in die seelische Magengrube versetzen.
Besser kann Theater kaum sein. Wenn ich richtig gelesen habe, wird das Stück nur mehr an zwei Abenden im Februar gespielt. Seht es euch an!
 

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