So kann’s gehen. Ich hatte mir meinen Kalauer schon zurechtgelegt, als ich beschlossen habe, der Einladung zum Accedo Salon mit Sebastian Kurz Folge zu leisten. Es sollte ein Blogpost über den „Justin Bieber der österreichischen Politik“ werden. Als Formulierung gefällt mir das nach wie vor und ich würde notfalls auch immer darauf bestehen, dass sie von mir stammt. Allein, sie passt nicht. Das weiß ich jetzt nach diesem ebenso aufschlussreichen wie inhaltsleeren Event. Der Staatsekretär für Integration ist nicht der Justin Bieber, sondern maximal der Peter Alexander der österreichischen Politik. Justin Bieber wird von den Jugendlichen bekreischt. Das wird Herrn Kurz niemals passieren. Er wird von den Älteren geliebt, weil er auf der politischen Bühne – wie Peter Alexander auf dem Unterhaltungsparkett – mit jugendlichem Charme Konservatismus versprüht. Und wenn man den Rahmen betrachtet, den die ÖVP und die österreichische Politik bieten, dann macht Kurz das gut. Verdammt gut. Aber eines ist er bestimmt nicht: Eine Lichtgestalt, die junge Menschen scharenweise dazu animiert, die österreichische Politik mitzugestalten.
Da hilft es auch nicht, wenn er darauf verweist, dass er als Bundesobmann der JVP angeblich so viele kreative Konzepte in den Gremien vorgelegt hat, die dort wohlwollend zur Kenntnis genommen wurden. Im Accedo Salon präsentiert er sich als einer, der seine Hausaufgaben gemacht hat: Seine Analysen sind hieb- und stichfest, er zitiert Studienergebnisse und er zeigt sich als Kommunikations- und Medienprofi. Klar, dass in den Räumlichkeiten einer Kommunikationsagentur viel über Medien geredet wird, aber dass Kurz dann gleich PR-Konzepte statt politischer Lösungsvorschläge liefert, zeigt dann doch, wie sehr er sich auf die Rolle des politischen Peter Alexander festgelegt hat. Das kurze (Achtung, Kalauer!) Programm für die Integrationspolitik:
- Versachlichung der Debatte: Die Menschen in diesem Land sollen über die Unterschiede zwischen Asyl und Zuwanderung Bescheid wissen. Eine klassische Kommunikationsaufgabe.
- Motivation: Kurz will den „Scheinwerfer auf positive Beispiele lenken“. Das klingt jetzt auch schwerstens nach Kommunikation.
- Den Prozentsatz derer heben, „die es geschafft haben“: Es gibt also irgendwo einen Indexwert, bei dessen Erreichung die Menschen als integriert gelten. Mit Ausnahme der Beherrschung der deutschen Sprache bleibt Kurz aber recht unkonkret über die Messkriterien für diesen Index. Aber wenigstens ist das eine politische Forderung. (Die allerdings von einem Integrationsstaatssekretär zu erwarten ist.)
Ich weiß zwar nicht, ob Österreich ein politisches Talent braucht, das mit den Entertainer-Qualitäten eines Peter Alexander verglichen werden muss, aber ich gehe davon aus, dass Michael Spindelegger es bewusst einsetzt. Kurz spielt die ganze Klaviatur der ÖVP: Er schlägt die Werteakkorde an, singt das Lied der Besinnung auf den Markenkern der Schwarzen, trommelt den klugen und pragmatischen Interessensausgleich den die bündische Struktur mit sich bringt und verfällt selbst bei den Schwierigkeiten der Abstimmung zwischen Bund und Ländern nicht in Moll. Er hat da nur positive Erfahrungen.
Zu Beginn des Gespräches hat Kurz gestanden, dass Spindelegger und Fekter ihn hereingelegt haben. Zuerst hätten sie gesagt, dass sich die Kritik an seiner Person nach ein paar Tagen oder Wochen nach seiner Bestellung legen würde. Fekter hat dann richtig gestellt: „Wir waren am ersten Abend nicht ganz ehrlich zu Dir“. Sie ihn mit der Wahrheit konfrontiert: „Das hört nie auf.“ Sebastian Kurz tut sich das trotzdem an. Er ist mit mehr Gegenwind konfrontiert als jeder andere Österreicher in seinem Alter. Und er macht seine Sache gut. Dafür bekommt er auch ein recht ordentliches Gehalt (ca. 13.000 Euro monatlich). Niemals wird er denen in den Rücken fallen, die ihn dorthin gebracht haben. Niemals wird er am Föderalismus zweifeln, niemals wird er gegen die Parteilinie argumentieren. Er wird wahrscheinlich auch keinen Druck machen, damit sein Staats-Sekretariat mit mehr personellen oder finanziellen Ressourcen ausgestattet wird.
P.S. Peter Alexander war Entertainer. Sebastian Kurz ist (zumindest politisch) für über eine Millionen Menschen in diesem Land verantwortlich, die keine österreichischen Wurzeln haben. Es bedarf großen Mutes, sich vor ein Riesenpublikum zu stellen und ein Lied zu singen. Noch mehr Mut braucht es, wenn dieses Lied die Lebensumstände von Menschen nachhaltig beeinflussen soll. Ich habe meine Zweifel, dass der Mut und die Energie von Sebastian Kurz dafür noch reichen. Er hat bereits genug Gegenwind. Mehr als ein 24jähriger sonst aushalten muss. Er ist auch talentiert. Allerdings beschränkt sich das Talent auf das Spielen der Rolle eines Berufspolitikers. Das macht er – wie gesagt – verdammt gut.