There is a technical Solution to the Tragedy of the Commons

Die „Tragik der Allmende“ oder auf Englisch „The Tragedy of the Commons“ hat einst – es war im Jahr 1968 – für viel Aufsehen gesorgt. In seinem Aufsatz beschreibt der Spieltheoretiker Garrett Hardin ein grundlegendes Dilemma, in dem sich die Menschheit befindet: Die Weltbevölkerung kann nicht unendlich weiter wachsen, weil die Ressourcen auf der Erde endlich sind. Vor allem aber kann dieses Problem nicht mit Technologie gelöst werden wie viele sich das wünschen. Hardin wusste damals noch nichts vom Internet. Ich behaupte heute ganz frech, dass Technologie zur Lösung beitragen kann.  Zumindest teilweise.

Hardin nimmt als Beispiel ein gemeinschaftlich genutztes Weidegebiet. So lange äußere Einflüsse wie Kriege, Krankheiten etc. die Gesamtpopulation im Rahmen halten, können mehrere Hirten mit ihren Herden dort problemlos wirtschaften. Das Ganze beginnt zu kippen, wenn einer der Hirten versucht, mit zusätzlichen Tieren mehr Profit aus der Weide zu schlagen. Er alleine streift den Gewinn ein, die Kosten trägt das Kollektiv. Andere werden dem Beispiel des ersten Hirten folgen und das Kollektiv muss schließlich für die Überweidung bezahlen. Das Resultat:

„Freedom in a commons brings ruin to all.“

Oder anders formuliert, persönliche Nutzenmaximierung und Gemeingut sind einfach nicht unter einen Hut zu bringen. An der Stelle setzt dann der Ruf nach a) (staatlicher) Regulierung oder b) Privatisierung des Allmendegutes ein.

Das Netz. Unendliche Weideflächen

Lösungsansätze für dieses Dilemma kommen aus einer Ecke, wo knappe Ressourcen eigentlich kein Thema sind. Informationen sind im Netz in Hülle und Fülle vorhanden (deren Qualität ist hier nicht das Thema) und niemand wird bestreiten, dass geteiltes Wissen an Wert gewinnt. Sowohl für das Kollektiv bzw. die Community als auch für den Einzelnen. An der Stelle setzt der Aufschrei der Schützer eigentümlich geistiger Schöpfungen ein. Ich bin dafür, dass Künstler, Autoren, Musiker anständig für ihre Leistungen bezahlt werden. Genauso wie ich dafür bin, dass wir erkennen, dass Kultur geteilt werden muss.

Teilen ist dem Netz einprogrammiert

Im Netz herrscht eine sehr rege Kultur des Teilens. Die hat zwar unterschiedlichste Qualitäten, aber sie scheint ihm doch einprogrammiert zu sein. Open Source Software ist mittlerweile kein Nischenthema mehr. Der im Netz verfügbare Quellcode ist die Almende und viele Menschen, die zu deren Weiterentwicklung beitragen, haben es geschafft, auch finanziellen Nutzen daraus zu ziehen. Sie beraten, implementieren, betreiben Lösungen – alles für gutes Geld. Am anderen Ende der Skala teilen Menschen alles Mögliche in Social Networks und schaffen damit ein Umfeld, in dem Werbung platziert werden kann. Auch Geld. Hier stehen persönlicher Nutzen und gemeinsam genutzte Güter nicht zwingend im Widerspruch zueinander. Aber wie gesagt, im Netz gibt es keine knappen Ressourcen. (Bandbreite mal außer Acht gelassen.)

Umgelegt auf die physische Welt

Mittlerweile gibt es zahlreiche Beispiele, wie das Internet (oder „a technical solution“ in Hardins Diktion) die Tragik der Almende in der physischen Welt mildern kann. Die Sharing-Economy boomt. Das Netz bildet die Infrastruktur, über die auch physische Güter geteilt werden können. Wir haben Webplattformen für Carsharing (car2go), Couchsurfing (airbnb), den Tausch von Kinderkleidung (Thredup) und vieles mehr (einfach nachlesen bei Shareable). Die Lösung für eine bessere und effizientere Nutzung von Ressourcen ist zu einem nicht unwesentlichen Teil technologiegetrieben. Und sie funktioniert. Vielleicht wird es damit nicht gelingen, der Überfischung der Weltmeere Einhalt zu gebieten, aber für andere Dinge gibt es brauchbare Lösungen. Diese Grafik von Latitude /Shareable zeigt das Potenzial:

The Sharing Economy (C) Shareable

(Das Original der Infografik gibt’s hier.)

Persönliche Nutzenmaximierung und gemeinschaftlich genutzte Ressourcen? Geht das?

Ich hege die große Hoffnung, dass beides unter einen Hut zu bringen ist. Ich würde mich zwar nicht unbedingt als jemanden bezeichnen, der mit aller Gewalt auf Nutzenmaximierung aus ist, aber ich nehme doch für mich in Anspruch, Individualist zu sein und manchmal bin ich auch etwas faul. Ich bin jetzt schon Teil der Sharing Economy, indem ich Carsharing nutze. Da kommt es meiner Individualität entgegen, dass ich relativ schnell ein Auto über eine Webplattform bestellen kann. Meiner Bequemlichkeit kommt entgegen, dass ich das Auto immer in meiner Nähe abholen kann. Das lässt sich weiter abstrahieren:

  • Wenn ich über Sharing-Plattformen Zugriff auf Geräte, Produkte, Maschinen bekomme, die eine höhere Qualität haben als die, die ich mir leisten kann zu besitzen, dann geht die Rechnung für mich, für die Umwelt und die Gesellschaft auf.
  • Wenn ich mich drauf verlassen kann, dass ich Dinge wieder zur vereinbarten Zeit und halbwegs unbeschädigt zurückbekomme, würde ich sogar selbst manches verleihen. (Es gibt ja Vermittlungsplattformen, die auch Versicherungen anbieten.)

Zum Schluss darf nicht unerwähnt bleiben, dass das Netz nach wie vor ein zartes Plänzchen ist, auf dem manche dieser großartigen Früchte nur wachsen konnten, weil dort geteilt wird, weil es „offen“ ist, weil es auch ein großes Experimentierfeld ist, auf dem Dinge erprobt werden, die – wie etwa die Sharing Plattformen – auch in der physischen Welt übernommen werden. Das Netz ist eine Allmende. Wir müssen uns ziemlich anstrengen, ihr die Tragik zu ersparen, die Hardin 1968 beschrieben hat.
Dieser Text ist mein Beitrag zur twenty.twenty Blogparade „Lernen von der Netzkultur“. 

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