Weil mich das Thema wirklich fasziniert, habe ich sogar einen zweiten Post für die Blogparade von twenty.twenty geschrieben. (Es geht noch immer bzw. schon wieder um die Veranstaltung „Geschichten aus dem Datenwald“ am 20. März 2012.)
Eines der oft genannten Beispiele für Datenjournalismus ist der „Is It Better to Buy or Rent?“-Rechner der New York Times. Das ist ein Service, das nicht unbedingt auf der Website eines Mediums angeboten werden müsste. Auf Österreich umgelegt könnte so etwas auf der Website der AK oder des VKI stehen. Da drängt sich also die Frage auf, warum diese Anwendung mit dem Etikett „Data Driven Journalism“ belegt wird und was das spezifisch Journalistische daran ist. Meine Antwort darauf: Nicht viel; dennoch sollten die Regeln und die gesetzlichen Bestimmungen für Medien und Journalismus darauf angewandt werden.
Journalistische Sorgfaltspflicht
Die Rolle der Medien und des Journalismus wird seit vielen Jahrzehnten diskutiert. Mittlerweile hat sich ein gutes Verständnis dafür entwickelt, was unter journalistischer Sorgfaltspflicht zu verstehen ist.
Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.
Ich sehe keinen Grund diese obersten Gebote nicht auch für Online-Services wie den Rechner der New York Times anzuwenden. Man braucht da nichts Neues erfinden. Der österreichische Presserat hat „Grundsätze für die publizistische Arbeit (Ehrenkodex für die österreichische Presse)“ formuliert. Auch dieser kann weitestgehend auf Produkte des Datenjournalismus angewendet werden. Ein Punkt ist diskutierenswert:
7.1. Bei der Beschaffung mündlicher und schriftlicher Unterlagen sowie von Bildmaterial dürfen keine unlauteren Methoden angewendet werden.
Hier sind wir tief in der Whistleblower -Diskussion, die vor allem durch WikiLeaks eine gewaltige Dynamik bekommen hat. Meine Meinung dazu: Es sollten nicht die Medien sein, die diese „unlauteren Methoden“ anwenden. Die „reine Lehre“ des Datenjournalismus spricht ohnehin meist von öffentlich zugänglichen Daten wie etwa Open Government Data. Wenn Medien Daten-Material zugespielt wird, müssen sie sehr intensiv darüber diskutieren, wie sie es verwenden. (Auch da helfen die für Medien und Journalismus formulierten Prinzipien.) Vor allem aber braucht es einen effizienten Schutz für Whistleblower deren Motivation auf das Gemeinwohl abzielt.
Und das Medienrecht…
Das Medienrecht bietet eine ganze Reihe von Schutzbestimmungen für Journalisten, Redaktionen und die Objekte ihrer Berichterstattung. Da gibt es etwa den Schutz des Redaktionsgeheimnisses (§ 3), wenngleich Justizministerin Karl hier eine Aufweichung anstrebt oder den Persönlichkeitsschutz bzw. den „bes. Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen“ (im Dritten Abschnitt). Nun geht es bei Datenjournalismus und den daraus entstehenden Produkten grundsätzlich nicht um Daten, die auf einzelne Personen zurückzuführen sind. Dennoch lassen sich etwa aus Verkehrsdaten dünn besiedelter Gebiete Rückschlüsse auf Einzelpersonen ziehen.
Ein anderes Beispiel aus dem Medienrecht ist die „Kennzeichnung entgeltlicher Veröffentlichungen“ (§ 2). Auch die Produkte des Datenjournalismus können durch Werbung finanziert werden. Wenn bestimmte Daten mit Zusatzinformationen eines Werbekunden angereichert werden, soll das klar ersichtlich sein. Das Medienrecht hat viele gute gute Ansätze, die für die neuen Anwendungen weiterentwickelt werden sollten. Das ist allemal besser als neue Regeln zu definieren oder die neuen Anwendungen im luftleeren Raum stehen zu lassen.
Ja, es ist Journalismus!
Diese Einzelbausteine führen mich zu der Conclusio, dass es besser ist, möglichst alle Anwendungen, die Daten für die Öffentlichkeit aufbereiten, als Medien zu betrachten und das Regelwerk, das für Medien und Journalismus gilt, anzuwenden bzw. zu erweitern. Ich nenne einen Rechner wie den der New York Times gerne Journalismus, wenn dafür die medienethischen Prinzipien gelten. (Dass diese Prinzipien vielfach mit Füssen getreten werden, ist zwar traurig, es ändert aber nichts an meiner Meinung, dass sie für digitale Medienprodukte weiterentwickelt werden müssen.)